Donnerstag, 3. Oktober 2013

Ironie des Schicksals

Das Schicksal folgt manchmal einer komischen Logik. Nein, eigentlich folgt es überhaupt keiner Logik. Wie sonst lassen sich solche Schicksale erklären, wie das folgende, auf welches ich kürzlich gestossen bin?

Robert Douglas Spedden wurde am 19. November 1905 geboren und lebte zusammen mit seinen vermögenden Eltern in den USA. Den Winter verbrachte die Familie üblicherweise in Europa, so auch den Winter 1911/1912, als sie in der Mittelmeerregion unterwegs war. Im April machten sie sich auf die Heimreise. In Cherbourg bestiegen sie einen Liniendampfer nach New York. Der Name des Schiffes: Titanic. Es gibt ein Foto, das den kleinen Douglas an Deck des Schiffes zeigt, wie er mit seinem Kreisel spielt.

Douglas Spedden spielt an Deck der Titanic mit seinem Kreisel

Die nun folgende Schiffskatastrophe ist uns allen bekannt. Aber die Speddens hatten Glück: Die Mutter erwachte nach der Kollision mit dem Eisberg wegen den unüblichen Maschinengeräuschen. Sie verliess die Kabine und stellte fest, dass das Schiff bereits leicht in Schieflage war. Schnell weckte sie ihren Mann, ihren kleinen Sohn sowie die beiden jungen Frauen, die als Dienst- und Kindermädchen mit ihnen mitfuhren. Zusammen erreichten sie das Bootsdeck. Da sie früh dran waren, gelangten sie noch ohne Hektik in ein Rettungsboot und da zu diesem Zeitpunkt keine Frauen und Kinder in der Nähe waren, durfte auch der Familienvater einsteigen.

Der kleine Douglas zeigte sich offenbar ziemlich unbeeindruckt von der ganzen Katastrophe. Er soll im Rettungsboot fast die ganze Zeit verschlafen haben. Schliesslich gelangte die junge Familie unbeschadet nach Hause.

Als Erinnerung an diese Reise bekam Douglas zu Weihnachten 1913 von seiner Mutter ein Bilderbuch, das sie speziell für ihn gezeichnet und geschrieben hatte. Es war die Geschichte eines kleinen Teddybären, der mit seinem Besitzer Douglas durch Europa reist und danach den Untergang der Titanic miterlebt. Später wurde das Buch unter dem Titel „Polar, der Titanic-Bär“ veröffentlicht.

Für einmal ein Titanic-Schicksal mit Happy-End? Leider nein. Im Sommer 1915 rannte der inzwischen neunjährige Douglas einem Ball hinterher auf die Strasse, wurde von einem Auto erfasst und kam ums Leben. Es war eine der ersten Autounfälle in den Vereinigten Staaten.


Ist das fair? Man überlebt den Untergang der Titanic und stirbt danach bei einem simplen Verkehrsunfall? Vielleicht ist es auch einfach ein Hinweis darauf, das Leben zu geniessen, solange man es kann. Überlebende der Titanic-Katastrophe und anderer Tragödien betonten und betonen oft, wie sehr dieses Unglück ihnen vor Augen geführt habe, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Und dass man jeden Tag geniessen soll. Nehmen wir uns doch ein Vorbild und betrachten wir jeden Tag als Geschenk! Auch wenn wir nie ein Schiff besteigen sollten. Aber eine Strasse überqueren wir alle einmal…

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