Das Schicksal folgt manchmal einer komischen Logik. Nein,
eigentlich folgt es überhaupt keiner Logik. Wie sonst lassen sich solche
Schicksale erklären, wie das folgende, auf welches ich kürzlich gestossen bin?
Robert Douglas Spedden wurde am 19. November 1905 geboren
und lebte zusammen mit seinen vermögenden Eltern in den USA. Den Winter
verbrachte die Familie üblicherweise in Europa, so auch den Winter 1911/1912,
als sie in der Mittelmeerregion unterwegs war. Im April machten sie sich auf
die Heimreise. In Cherbourg bestiegen sie einen Liniendampfer nach New York.
Der Name des Schiffes: Titanic. Es gibt ein Foto, das den kleinen Douglas an
Deck des Schiffes zeigt, wie er mit seinem Kreisel spielt.
Douglas Spedden spielt an Deck der Titanic mit seinem Kreisel |
Die nun folgende Schiffskatastrophe ist uns allen bekannt.
Aber die Speddens hatten Glück: Die Mutter erwachte nach der Kollision mit dem
Eisberg wegen den unüblichen Maschinengeräuschen. Sie verliess die Kabine und
stellte fest, dass das Schiff bereits leicht in Schieflage war. Schnell weckte
sie ihren Mann, ihren kleinen Sohn sowie die beiden jungen Frauen, die als
Dienst- und Kindermädchen mit ihnen mitfuhren. Zusammen erreichten sie das
Bootsdeck. Da sie früh dran waren, gelangten sie noch ohne Hektik in ein
Rettungsboot und da zu diesem Zeitpunkt keine Frauen und Kinder in der Nähe
waren, durfte auch der Familienvater einsteigen.
Der kleine Douglas zeigte sich offenbar ziemlich
unbeeindruckt von der ganzen Katastrophe. Er soll im Rettungsboot fast die
ganze Zeit verschlafen haben. Schliesslich gelangte die junge Familie
unbeschadet nach Hause.
Als Erinnerung an diese Reise bekam Douglas zu Weihnachten
1913 von seiner Mutter ein Bilderbuch, das sie speziell für ihn gezeichnet und
geschrieben hatte. Es war die Geschichte eines kleinen Teddybären, der mit
seinem Besitzer Douglas durch Europa reist und danach den Untergang der Titanic
miterlebt. Später wurde das Buch unter dem Titel „Polar, der Titanic-Bär“
veröffentlicht.
Für einmal ein Titanic-Schicksal mit Happy-End? Leider nein.
Im Sommer 1915 rannte der inzwischen neunjährige Douglas einem Ball hinterher
auf die Strasse, wurde von einem Auto erfasst und kam ums Leben. Es war eine
der ersten Autounfälle in den Vereinigten Staaten.
Ist das fair? Man überlebt den Untergang der Titanic und
stirbt danach bei einem simplen Verkehrsunfall? Vielleicht ist es auch einfach
ein Hinweis darauf, das Leben zu geniessen, solange man es kann. Überlebende
der Titanic-Katastrophe und anderer Tragödien betonten und betonen oft, wie
sehr dieses Unglück ihnen vor Augen geführt habe, wie schnell das Leben vorbei
sein kann. Und dass man jeden Tag geniessen soll. Nehmen wir uns doch ein
Vorbild und betrachten wir jeden Tag als Geschenk! Auch wenn wir nie ein Schiff
besteigen sollten. Aber eine Strasse überqueren wir alle einmal…
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